Bobertal

Wendisch
Sagar

(Stary Zagór)
 Titelbild

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am Bober Wendisch Sagar wurde im Oktober 1937 in Bobertal umbenannt.
Bobertal liegt ca. 8 km südlich von unserer Kreisstadt Crossen/Oder.

Wenn man von Guben die alte Reichsstr. 97 in Richtung Crossen fährt, erreicht man Bobertal, indem man nach Überquerung der Benschbuder Boberbrücke sofort nach rechts nach Bobertal abbiegt.
Boberkraftwerk

Bobertal hatte 1939 etwa 324 Einwohner.
Bobertal gehörte zu den 93 Ortschaften des Landkreises Crossen/Oder. Das Dorf liegt im Tal des Bobers in malerisch anmutiger Umgebung (49-50 m über dem Meeresspiegel). Es gehörte zu den reichen Bauerndörfern im Landkreis Crossen und war ein sauberer und gepflegter Ort.
Bobertal hatte kein Gut, deshalb gehörte der Ort bis zum Jahr 1815 zur Domänenverwaltung Crossen/Oder.


  • Kirche und Schule
Bobertal hatte keine Kirche im Ort. Bobertal gehörte deshalb zum Kirchspiel nach Boberhöh. Die Bewohner Bobertals nahmen dort am evangelischen Gottesdienst teil und wurden auch dort konfirmiert.

Bobertal hatte nur eine einklassige Volksschule, d.h. alle Kinder, egal welchen Alters wurden zur gleichen Zeit von nur einem Lehrer unterrichtet. Solch einen Unterricht kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Die Unterrichtszeiten waren gestaffelt. Während der Lehrer eine Gruppe (Klasse) unterrichtete, waren die anderen mit vorgegebenen Aufgaben beschäftigt.

Als Lehrer waren in Bobertal tätig:
 –      Topp, Albert
 –      Zuchel, Reinhold und danach
 –      Henze,Wilhelm
 –      Vallentin, W.
 –      Kulessa, Erich - er kam 1938 von Boberhöh. Seine Frau unterrichtete die Kinder in Handarbeit.


  • Zur Geschichte des Ortes
Über den Ursprung des Dorfes Wendisch Sagar liegen keinerlei schriftliche Quellen vor. Vom Ortsnamen her könnte Wendisch Sagar wendischen Ursprungs sein. So leitet sich Sagar aus dem Wendischen ab. (Za = hinter, gora = Berg, Sagar heißt soviel wie hinter dem Berge).

Als erste schriftliche Erwähnung nennt der Crossener Schulrat Metzdorf in seinem "Heimatbuch des Kreises Crossen" auf Seite 19, daß in dem Werke Liber fundationis episcopatus Vratislaviensis aus dem Anfang des 14. Jhrh. u.a. folgende Dörfer genannt wurden:

 •    Sagor theutonicale (Deutsch-Sagar)
 •    Sagor polonicale (Wendisch-Sagar)

Diese beiden Dörfer existierten bereits um 1300.
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Es ist anzunehmen, daß Wendisch-Sagar bereits Ende des 12.Jahrhunderts, als Schlesien von deutschen Siedlern besiedelt wurde, bestand. Zu dieser Zeit war es üblich, neben bereits bestehenden wendischen Siedlungen das neue deutsche Dorf anzulegen, so daß die deutschen Siedler neben dem Wendendorf Sagar zwei neue Dörfer gründeten:
 •   Fritschendorf, von Friedrichsdorf hergeleitet.
 •   Deutsch-Sagar , das auf Grund seines Namens einen deutschen Ursprung verrät.

In der Klassifikation 1718/19 wurde für Wendisch Sagar genannt:
 •    13 Bauern
 •      3 Gärtner
 •      2 Büdner
 •    Der in 2 Felder geteilte Acker ist bergig und schwer zu bestellen.
Im Jahre 1806 schreibt der Verfasser Bratring, daß Wendisch Sagar über 26 Feuerstellen verfügt
(siehe nebenstehenden Literaturauszug).
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Weiter werden in der Literatur genannt:
Jahr 1809 1840 1864 1867 1871 1885 1891 1910 1925 1933 1939
Häuser   36 47   50 50   57   60  
Einwohner 176 245 364 341 336 335 335 363 331 308 324


  • Infrastruktur des Ortes
Das Dorf Bobertal als Bauerndorf war wohl eins der reichsten Dörfer im Kreis Crossen/Oder. Das lag daran, daß es ziemlich große Bauernhöfe gab und der Boden fast alle Kulturen annahm. Durch die Plaensche Papierfabrik und die Fritschendorfer Ziegelei fanden auch Büdner und Bauernsöhne, die den Hof nicht erben konnten, eine Arbeitsmöglichkeit in der Nähe.
 Totale Im Zentrum des Dorfes stand die Gaststätte mit dem Saal. Die Gastwirtschaft Figur mit Fleischerei ist um l890 gebaut worden. In damaliger Zeit sind gerade in Wendisch-Sagar viele Häuser in schöner Bauart entstanden.
Dazu gehörte auch ein Kolonialwarenladen, in dem es alles gab.(Tante-Emma-Laden). Zuletzt wurde die Gaststätte von der Familie Schleis, Otto bewirtschaftet. Fleisch- und Wurstwaren lieferte der Gastwirt und der Fleischermeister Gärtner. Die Bäckerei befand sich in Boberhöh. Familie Streit lieferte Brot und Backwaren mit Pferd und Wagen.
Dorfansicht - von Deichow aus gesehen
Die Verbindungsstraßen nach Boberhöh, Fritschendorf, Briesnitz und Neubrück waren bis 1945 unbefestigt und erst 1939/40 wurde die Straße nach Neubrück mit Kleinpflastersteinen hergerichtet.
Die Kleinstädte Crossen und Bobersberg waren für Bobertal die nächsten Anlaufziele. Dort gab es den Arzt, den Zahnarzt, bestimmte Handwerker und die Geschäfte. Für uns war Bobersberg der nähere Ort. Zu Fuß gingen wir den Waldweg entlang, nutzten die eingebauten betonierten Stauwehre des Bobers (1934 - 1938) oder ließen uns bei Zeitnot vom Fischer Hartmann in seinem Fischerkahn ans andere Ufer in Chrumow übersetzen. In den Wintermonaten bei strengem Frost bot die feste Eisdecke des Flusses den günstigsten Weg.

Auch Handwerker hatten sich im Dorf niedergelassen. Der Schuhmacher und Sattler, Herr Katzan, hatte immer Arbeit. Er reparierte Schuhe, Pantoffeln, Schulmappen, Einkaufstaschen und alles Mögliche. Selbst Geschirre für die Gespanne stellte er her.
Der Stellmacher Hartmann im Dorf war ein gefragter Handwerker. In seiner Werkstatt wurden Wagenräder, Deichseln, Scheite, Wannen, Harken sowie Stiele für Äxte, Harken, Besen oder Hacken gefertigt.
Am Oberende des Dorfes (Ostrichtung) wohnte der Zimmermann Ernst Hartmann. Gleichzeitig hatte er die Fischereierlaubnis für den Bober, deshalb wurde er auch Fischer-Hartmann genannt. Oftmals kam er aber mit leerem Kahn vom Fischfang zurück, weil Fischräuber bereits seine Reusen, Netze oder auch die Nachtschnuren abgeräumt hatten. Im Bober tummelten sich Hechte, Aale, Schleien, Barsche, Zander, Bleie, Weißfische und Neunaugen.

 Schule  Gasthof
Kriegerdenkmal Gasthof
In der Dorfmitte, vor dem Grundstücken Gerlach, Theodor und Schulz, Hermann (Türkschulzes) stand das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des l. Weltkrieges. Dieses Denkmal wurde nach 1945 von den neuen polnischen Einwohnern zum Gedenkstein der heiligen Maria umfunktioniert .

Bobertal hatte die erste zentrale Wasserleitung für den ganzen Ort, die nach dem 1. Weltkrieg gebaut wurde. Hier nutzte man das Quellgebiet am Fritschendorfer Weg “Zerliske” genannt. Dort befanden sich die Trinkwasserquellen mit ihren drei Brunnen. Alle Dorfbewohner waren in der glücklichen Lage, ein solches zentrales Wasserleitungssystem zu besitzen. Selbst die Ställe waren mit Selbsttränken für das Vieh ausgestattet

Die freiwillige Feuerwehr hatte ein eigenes Spritzenhaus, eineMotorspritze und einen Schlauchturm. Bobertal hatte die erste transportable Motorspritze im Amtsbezirk Fritschendorf. Das Spritzenhaus stand am Grundstück von Vollbauer Douglas. Die Spritze mußte zum Einsatzort mit einem Pferdegespann oder von Hand gebracht werden. Die Übungen der freiwilligen Feuerwehr fanden regelmäßig statt. Wehrleiter war Fritz Jokisch.

  • Flurnamen in Bobertal
Doppl.Klick für Großformat Folgende Flurnamen werden genannt:


Truschke:
 
auf dem Weg nach Bothendorf zur Getreidemühle mußten wir kurz vor Briesnitz eine Bergkuppe überwinden. Diese Bergkuppe nannten wir Truschke.
Dreutzen:
 
nannten wir die landwirtschaftliche Nutzfläche nördlich des Dorfes am Feldweg nach Boberhöh.
Saratgenberg: ein Trampelpfad - wurde als Abkürzung nach Boberhöh genutzt.
Zerliske: hieß die Gegend vor Fritschendorf - mit ihren Trinkwasserquellen.


  • Bobertal - Häuserverzeichnis
Sechzig Jahre nach der Vertreibung war es nicht mehr möglich, ein vollständiges Häuserverzeichnis von Bobertal anzufertigen.
Nachfolgendes Häuserverzeichnis wurde vom Landsmann Manfred Jokisch unter Hinzuziehung folgender Unterlagen erstellt:
 •   Hausbesitzerverzeichnis des Kreises Crossen von 1926
 •   Dorfplan Bobertal von Manfred Jokisch
1 Gerlach, Theodor
2 Wende, Paul Maurer
3 Stein, Georg
4 Hahn - Schulz Maurer
5 Gärtner, Paul
    Katzan/Borchert
Bäcker
Schuhmacher
6 Rattke, Wilhelm
7 Lehmann, Gustav
    Thomas, Paul
Telegrafenarbeiter
 
8 Pickert, Otto
9 Jakob, Karl
10 Lehmann, Gustav
    Hartmann, Willi
Stellmacher
Zimmermann
11 Pfeiffer, Wilhelm
12 Henze, Ferdinand alte Schmiede
13 Apelt, Wilhelm
    Städter, Lieschen
14 Stein, Wilhelm Bürgermeister
15 Gohlisch, Artur
    Becker, Paul
16 Lukas, Gustav
17 Lehmann, Wilhelm Wichen
18 Blümel, Paul
19 Douglas, Gustav
20 Sauermann, Paul
21
22 Ploch, Karl
23 Lehmann, Otto Danks
24
25 Lehmann, Fritz Webers
26 Jende, Erich
27 Konrad, Hermann
    Schwarz, Gustav
28 Schulz, Hermann
    Lampe, Ernst
Türkschulzes
 
29 Riedel, Paul
30 Lagatz, Emil
31 Hartmann, Hans
    
32 Schenk
33 Nemitz, Katarina
34 Scheiwe, Hermann
35 Hartmann, Auguste
Vogel, Emil
Hebamme
 
36 Rattke, Gustav kleiner Rattke
37 Koschan, August
    Schulz, Karl
38 Gerlach, Wilhelm Ausbau
39 Neubrück
40 Becker, Otto Post
41 Prolinsky, Fritz
42
43 Hahn, Paul
44 Figur, Emil
    Niksch, Richard
45 Figur, Erich Maurer
46 Binder, Hermann
    Binder, Gustav
Maurer
 
47 Müller, Fritz Maurer
48 Hartmann, Karl Ploch
49 Hartmann, Paul Ausbau
50 Hartmann, Ernst Fischer
51 Schulz, Gustav Post
52 Hartmann Winkel
53 Lehmann, Paul Schmiede
54 Schleiz, Otto Gastwirt
55
56 Zuchel, Oskar
56a Geißler, Fritz
57 Hartmann, Wilhelm Maurer
58 Gärtner, Otto
    Schütze, Hermann
Schulgärtner
 
59
60 Wende, Gustav Elektriker
61 Wirsig, Fritz Fahrradschlosser
62 Jokisch, Fritz Schlosser
63 Becker, Richard Schlosser

In Bobertal gab es größere und kleinere Bauerngehöfte. Je nach Größe der landwirtschaftlichen Nutzfläche(Hektar) und dem
vorhandenen Vermögen besaßen die Bauern mehrere Pferde, manchmal nur eins, oder sie wirtschafteten mit Kühen. Auch die
Kühe wurden als Zugtiere genutzt, vor den Wagen gespannt oder zur Arbeit auf dem Feld eingesetzt.

Es gab 16 Pferdebauern (Großbauern) im Häuserverzeichnis “Blau” markiert
      und 13 Kuhbauern (Mittelbauern) im Häuserverzeichnis “Grün” markiert .
Wer nicht Bauer war, fütterte Schweine, Ziegen, Schafe, Gänse, Enten, Hühner, Kaninchen(Karnickel), Puten oder Tauben zur Fleischversorgung der Familien.

Bobertal war ein langgezogenes Straßendorf. Es gab 63 Grundstücke, dahinter schlossen sich die Felder, Wiesen und die Wälder an.

  • Bobertal - Ortsplan
 Ortsplan
Ortsplan von Bobertal

  • Bobertal - Das Jahr 1945
Am 3.August 1945 wurde das dörfliche Leben in Bobertal beendet. Da alle Nachbardörfer schon menschenleer waren, waren die Bobertaler schon darauf vorbereitet. Man gewährte den Bobertalern nur eine Stunde für die Räumung des Dorfes. Der Austrieb verlief unter militärischer Bewachung über Neubrück - Benschbude - Heidekrug - Guben - bis nach Gubinchen (ein kleiner Ort südlich von Guben direkt an der Neiße). Dort kam der Treck erst am späten Abend an - es war schon finster. Wir durften dann in den bereits leer geräumten Häusern nächtigen.
Am nächsten Morgen wurden wir familienweise zur "polnischen Kommandantur" getrieben. Hier nahmen die polnischen Soldaten uns alles ab, was ihnen gefiel. Gleichzeitig suchte man aus dem Treck arbeitsfähige Leute aus, die bei der Ernte helfen sollten. Nachdem die Leibesvisitation in der Kommandantur beendet war, wurden alle, die nicht für die Arbeit aussortiert wurden, zur nahegelegenen Neiße geführt.
Dabei durfte keiner von ihnen an das abgestellte Gepäck (Wagen) heran. Dieses war bereits von polnischen Personen geplündert. Danach wurden sie mit dem noch vorhandenen Gepäck - ohne Kahn oder andere Hilfsmittel - durch die Neiße getrieben. Sie mußten durch das Wasser zur anderen Flußseite waten.

Weitere Angaben sind der Broschüre "Amtsbezirk Fritschendorf - Geschichtliches aus der Zeit vor 1945" zu entnehmen.
Die Broschüre (ca.120 Seiten) ist in der Bibliothek von "Haus Brandenburg" einzusehen.

Als Grundlage für diese Web-Seite dienten die Aufzeichnungen unseres Landsmanns Manfred Jokisch.

  Änd 09.10.2016
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