Riesnitz liegt ca.20 km nördlich von Crossen.
Von Frankfurt kommend, fährt man auf der ehemaligen Fernstraße Nr.5 in Richtung Crossen.
Gegen Ende der Ortsumgehung Drehnow zeigt ein Schild an: nach Riesnitz (Rzeczyca) links abbiegen. Diesen Weg von Drehnow
nach Riesnitz, auf den man bei Anfahrt von Frankfurt aus zuerst stößt, ist kaum befahrbar.
Wer das heutige Riesnitz aus Richtung Frankfurt besuchen will, erreicht es am besten über Tammendorf. In Tammendorf biegt man links
von der ehemaligen Fernstraße Nr.5 in Richtung Riesnitz ab, das nach 2½ km erreicht wird
.
Von Crossen kommend, fährt man im Kreisel am Ende der Bismarckstraße in Richtung Frankfurt/Oder weiter.
Nach 18½ km ist Tammendorf erreicht. In Tammendorf biegt man rechts von der ehemaligen Fernstraße Nr.5 in Richtung
Riesnitz ab, das nach 2½ km erreicht wird.
Riesnitz hatte bei der letzten Volkszählung im Jahre 1939
196 Einwohner und gehörte zum Amtsbezirk Drehnow.
Riesnitz gehörte zu den wenig bekannten und kleineren Gutsdörfem des Kreises Crossen. Es liegt an der Nordseite des Tammendorfer
Signalberg-Höhenblocks der Pleiske und damit den weststernberger Gemeinden Sandow und Ziebingen zugewandt. Das Gut umfaßte 1307 Hektar,
die Bauerngemeinde nur 540 Hektar.
Die Gemarkung reichte im Norden bis zur Pleiske (Kreisgrenze). Sie schloß mit dem Riesnitzer Forst viel märkischen
Kiefernwald und die idyllisch gelegene Neue Mühle ein.
Diese nutzte die Wasserkraft des aus den Lagower Seen kommenden und bei Aurith in die Oder mündenden Flüßchens
zwischen der Alten Mühle und der Rauschmühle, beide zum Sternberger Land gehörig.
Riesnitz wurde als Recziza im Jahre
1308 erstmals urkundlich erwähnt. In der in Posen ausgestellten Urkunde bestätigt
der Bischof Friedrich I. von Lubus (Lebus) die Grenze an der Pleiske (große Pilsge) und die Zugehörigkeit von Recziza (Riesnitz),
den Nachbarorten Drehnow, Tamsdorf, Klewe (Klebow), Trebichow u.a. zur Kirche von Posen. Riesnitz wurde damit auch gleichzeitig
als Kirchdorf genannt.
Die erste schriftlich bekannt gewordene Ortsbezeichnung - Recziza – weist zweifelsfrei auf einen slawischen Ursprung hin.
Sie könnte auf das niedersorbische Ryzy = rostfarbig und damit auf die eisenhaltige Bodenbeschaffenheit (Raseneisenstein) verweisen.
1582 wurde der Ortsname Rißnitz, 1622 und 1795 Riesenitz, 1813 Rieschnitz, 1900 Riestnitz und in der jüngeren deutschen Zeit
ausschließlich Riesnitz geschrieben.
Die polnischen Neubürger nennen den Ort Rzeczyca. In jüngster Zeit wurde Riesnitz der Großgemeinde Ziebingen zugeordnet und
damit zugleich, wie bei der Eingemeindung von Drehnow, die alte Brandenburgisch - schlesische Grenze nivelliert.
Wie auch bei den anderen Orten verfügen wir für Riesnitz erst mit den Unterlagen der Klassifikation der Jahre 1718/19 über
weitergehende Informationen.
In der Klassifikation 1718/19 wird Riesnitz wie folgt erwähnt:
In Riesnitz war um 1715 der Gutsbesitzer der Hauptmann Alexander von Winterfeld.
Im Ort gab es
9 Bauern: mit je 1 Hufe: Michel Kahlcke, Andreas Stänicke, Michel Stänicke,
den Krüger (Gastwirt) Martin Francke, Christoph Kühlcke, Georg Kringel, Martin Francke, Bartholomäus Beer, Christoph Wilde.
3 Gärtner: wohnten im Dorf: Andreas Schultze, Christoph Krüger und Christoph Grettlow.
Es gab eine Kornmühle und eine Schneidemühle.
Der Acker war in drei Felder geteilt, bestand aus Sandland, es gab keine Wiesen, so war auch die Viehzucht schlecht.
Eine Bauernhufe ließ den Bestand von 2 Ochsen, 4 Rindern, 2 Schweinen und 2 Gänsen zu.
Raff- und Lagerholz lieferte die herrschaftliche Heide. Im Ort gab es einige Bienenstöcke.
Im Jahr verschänkte der Krüger 35 Hektoliter (3.500 Liter) Bier aus, welches aus der Stadt kam.
Im Dorf wohnten noch
4 Häusler: mit eigenen Häusern.
4 Hufen des Bodens lagen brach, später wurden 2 von der Herrschaft gekauft und 2 dem Vorwerk zugeteilt.
Im
Bratring 1806 steht geschrieben:
•
Riesnitz war im Jahre 1806 ein Dorf mit Gut - es gehörte den Gebrüdern von Oppen.
Es hatte 8 Bauern, 3 Kossäten, 6 Büdner und 3 Einlieger. 1 Wassermühle stand an der Pleiske.
Riesnitz hatte 1806: 23 Feuerstellen u. 165 Einwohner.
Außerdem sind zu Riesnitz gehörig:
•
Radeberg als Vorwerk
•
Neue Mühle eine Wassermühle.
In der “Topografischen Übersicht des Reg.Bez. Frankfurt/Oder” aus dem Jahre
1844 erscheint:
- Riesnitz war ein Dorf mit Rittergut, dem Leutnant a.D. von Oppen gehörend.
es hatte 32 Wohngebäude und 205 Einwohner
Außerdem sind zu Riesnitz gehörig:
•
Radeberg als Vorwerk - 1 Haus mit 8 Einwohnern.
•
Riesnitzer Theerofen und Vorwerk - 1 Haus mit 9 Einwohnern.
•
NeuMühle eine Wassermühle - 1 Haus mit 10 Einwohnern.
Für das Jahr
1852 werden genannt:
•
Riesnitz Dorf mit Rittergut - mit 251 Einwohnern.
•
Radeberg als Vorwerk - mit 16 Einwohnern.
•
Riesnitzer Theerofen und Vorwerk - mit 12 Einwohnern.
•
NeuMühle eine Wassermühle - mit 12 Einwohnern.
Im
Riehl und Scheu "Berlin und die Mark Brandenburg …" von
1861 wird geschrieben:
•
Riesnitz Dorf mit Rittergut, dem Arnous gehörend - mit 33 Häusern und 286 Einwohnern.
•
Radeberg als Vorwerk - 1 Haus mit 18 Einwohnern.
•
Riesnitzer Theerofen und Vorwerk - 1 Haus mit 7 Einwohnern.
•
NeuMühle eine Wassermühle - 1 Haus mit 14 Einwohnern.
- Riesnitz - Rittergut und Schloss
Das Riesnitzer Gut war, wie die Mehrzahl der Güter ebenfalls ein Rittergut.
Der erste Gutsbesitzername ist mit dem des Hauptmanns
Alexander von Winterfeld von 1718/19 überliefert,
durch die Besteuerungsgrundlagen, die der Soldatenkönig, Friedrich Wilhelm I., erarbeiten ließ. Die Familie von Winterfeld war
zu dieser Zeit darüber hinaus auch in Sandow, Bergen, Radenickel und Trebichow begütert.
Lange scheinen es weder die adligen noch später die bürgerlichen Herren auf dem kargen Boden ausgehalten zu haben, denn die
Gutsbesitzer wechselten häufig. Aus gedruckten Quellen wissen wir, daß 1767 zur Zeit Friedrich II Riesnitz dem Kriegsrat
Wilhelm Christian von Pieper gehörte. Von dem kaufte das Gut der damalige Besitzer von
Fritschendorf, Alexander Ernst von Oppen, der es 1803 seinen unmündigen Söhnen hinterließ.
Wahrscheinlich um 1828 begann eine Reihe von bürgerlichen Besitzern, denn das Gut soll seitdem viele Besitzer gehabt haben.
So nennt die Literatur die
Familie Petsch und für die Mitte des 19.Jahrhunderts einen Friedrich
Georg Arneus, der auch ein Vorwerk „Theerofen" besaß.
Riesnitz - Schloss
Um die Jahrhundertwende bis zum Beginn der 1920er Jahre war ein Herr Müller der Besitzer.
Nach dem 1. Weltkrieg wurde dieses Rittergut wegen der kapitalen Rothirsche deutschlandweit bekannt.
Er lud Freunde und Bekannte häufig zu großen Jagden ein.
Bei einer Jagd gelang es nämlich einem Jagdmann mit einem Schuss zwei
sehenswerte Hirsche zu erledigen. Diese Dublette wurde in der »Deutschen Jagdzeitung« veröffentlicht und erregte
großes Aufsehen. So wurden dadurch auch viele Käufer zum Erwerb des Gutes ermutigt.
Müller verkaufte das Gut Riesnitz etwa 1923 wieder an einen Bürgerlichen und übersiedelte nach Mecklenburg. Von seinem Nachfolger
wissen wir nicht den Namen. Der aber hatte „nur Flausen im Kopf“ und vom Wirtschaften keine Ahnung und so kam dieses Rittergut
um 1925 an den letzten Besitzer, einem Adligen,
Rittmeister Hans-Georg von Kramsta.
Nachdem von Kramsta in Besitz des Gutes kam, erweiterte sich der Grundbesitz erheblich. Vor allem wurde der Waldbestand ständig
durch Zukauf erhöht. So das letzte Mal im Jahre 1938, als mehrere hundert Hektar hinter Trebichow von Seydlitz-Kurzbach
erworben wurden.
Der Waldbestand erstreckte sich zuletzt unmittelbar von vor der Rauschmühle entlang der Pleiske bis zum See
Groß-Gandern. Von dort bis in die Nähe des Trebichower Vorwerkes, zur Kurtschower Baronen und weiter über den Ausläufern des
Signalberges in Richtung ehemalige Reichsstraße 5 bis zu den Drehnower Bergen.
Die Förster Olldorf und später Buchholz hatten eigenverantwortlich die gesamte Forstwirtschaft zu verwalten. Acker- und Weideland
beliefen sich auf ca. 400 ha. Von Kramsta hatte seinen ständigen Wohnsitz in Schlesien und weilte im Jahr höchstens zwei- bis
dreimal für ein paar Wochen im Schloss.
Für die Wirtschaftsführung hatte er den
Inspektor Hans Heller, der das Gut bis 1945 verwaltete und
mit seiner Familie in dem Haus neben dem Schloß wohnte, alle Vollmachten erteilt. H. Heller, von Beruf Maler, verheiratet mit
der Tochter vom Förster Olldorf, war seiner Aufgabe voll gewachsen. Die wirtschaftliche Lage des Gutes war bis zum Schluss gut.
Hans Georg von Kramsta, geboren 1892 in Frankenthal in Schlesien, wo er auch bei seiner Mutter wohnen blieb, hatte anderenorts
ebenfalls größeren Grundbesitz und besaß eine Tuchfabrik im polnischen Lodz. Er war nicht verheiratet und genoss sein Leben
als Junggeselle. Riesnitz besuchte er meist im Sommer mehrere Wochen lang. Oft begleiteten ihn als Gäste emigrierte russische
und auch deutsche Adlige. So flanierte er mit ihnen im Schlosspark und auf dem Herrensteig.
Zu seinen Jagdgästen gehörte gelegentlich auch der
Boxweltmeister Max Schmeling. Das war dann in Riesnilz Ortsgespräch.
Max Schmeling soll sich 1937/38 um den Grundbesitz in Riesnitz bemüht haben.
Gutsbesitzer
von Kramsta war kein Freund des Nationalsozialismus. Als Rittmeister dachte er nie daran für die Nazis in den
Krieg zu ziehen. So kam es dann, wie es kommen musste.
Die Beschlagnahme des Schlosses brachte ihn in noch stärkere Opposition zum Regime. ln unserem Dorf erzählte man, dass er
verhaftet worden sei, weil seine Mutter einem jüdischen Ehepaar illegal Unterkunft gewährt habe.
Er kam etwas später in ein Konzentrationslager im Rheinland, wo er nachweisbar 1944 im Alter von 52 Jahren angeblich
plötzlich „verstarb“.
Schloss - Vorderseite
Schloss - Rückseite
Das jetzige noch erhaltene
Schloss wurde um 1900 erbaut. Es ist kein sehr großes Gebäude, entsprach den damaligen architekturischen
Anforderungen und gliederte sich sehr gut in das Ensemble der Gebäude des Gutes ein. Während in der Umgebung fast alle Güter
am Rande des Dorfes lagen, befand sich das hiesige Gut in der Mitte des Dorfes, was wohl daran lag, dass dieses Dorf als ein
ausgesprochenes Straßendorf angelegt war und sich auch heute noch so darstellt.
Mitte des 2. Weltkrieges beschlagnahmte die nationalsozialistische Reichsregierung das Schloss. Als Verwalter zog ein höherer
Beamter aus Berlin mit seiner Frau ein. Für den eigentlichen Besitzer stand kaum noch Wohnraum zur Verfügung, keinesfalls für
Gäste von ihm.
Die große Mehrzahl der Räume einschließlich der Keller wurde mit Kriegsbeute und Mangelwaren technischer Art
vollgepfropft, die man mit Lastkähnen auf der Oder heranbrachte. Längere Zeit waren serbische Kriegsgefangene mit dem
Antransport von den Ausladestellen und dem Einräumen beschäftigt. Wo das Material bei Kriegsende blieb, ist nicht bekannt.
Es hieß, daß es die Sowjetarmee irgendwohin mitnahm.
Die nach 1945 nach der Vertreibung neu angesiedelten polnischen Bürger haben das Gut, außer diesem Schloss, bisher nie
wirtschaftlich genutzt, deshalb befindet sich heute der größte Teil der Gebäude noch in einem recht guten Zustand.
Das Schloss haben die Polen als Jagdschloss weitergeführt, allerdings wurden die erwirtschafteten Einnahmen als Jagdschloss
nur wenig für die Werterhaltung dieses Kleinods eingesetzt.
Um das Jahr 2000 suchte man nach Sponsoren. Im Frühjahr 2003
wurde ein Interessent für das Schloss und den Anlagen gefunden. Er kommt aus Warschau und kaufte es für 800 000 Zlt.
- Riesnitz - K i r c h e u n d S c h u l e
Die Kirche, eine Tochter der Pfarre Tammendorf, ist
1731 erbaut und 1732 eingeweiht worden. Wahrscheinlich bezahlte die
304 Taler Baukosten der Patron Alexander von Winterfeld, dessen Name abgekürzt auf dem noch um 1920 benutzten Abendmahlskelch zu lesen war.
Die kleine Glocke (70 cm Durchmesser), die in Frankfurt (Oder) gegossen wurde, stiftete 1747 der Preußische Geheime Finanzrat
und Präsident, Johann Heinrich
von Pieper, möglicherweise der Vorgänger des für 1767 bezeugten
Gutsbesitzers gleichen Familiennamens. Das Innere des kleinen Gotteshauses sah zu deutscher Zeit mit seinem hell angestrichenen
spätbarocken Kanzelaltar, fast einer Kanzelwand, recht ansprechend aus.
Kirche - noch grau verputzt
Im Jahre 1992 lag die Kirche frisch renoviert vor. Diese strahlt jetzt einschließlich Turm in ansprechendem Fachwerk-Schwarz-Weiß
mit rotem Ziegeldach. Das ist ein Fortschritt sogar gegenüber den Jahrzehnten vom 1. Weltkrieg bis 1945.
Die deutschen Denkmalpfleger wußten zwar, daß es sich bei der Riesnitzer Kirche um einen Fachwerkbau handelte, sie bezeichneten
ihn aber 1921 im Band „Kreis Crossen“ der Reihe „Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg“ als verputzt.
Der Putz sah lange Zeit und noch 1990 recht unansehnlich aus. Die polnischen Restauratoren haben ihn also entfernt und
so das Fachwerk wieder freigelegt.
Kirche - seit 1992 im neuen Glanz
Heute ist das Innere der Kirche sehr schlicht, aber sauber. Die polnischen Katholiken entfernten den barocken Kanzelaltar,
die Empore und die Orgel, da diese historischen Ausstattungsstücke weder ihrem Geschmack noch ihrem Gottesdienst-Ritus entsprechen.
Auch das Taufbecken fehlt.
Fazit also: Die polnische katholische Kirche restaurierte das Riesnitzer Gotteshaus insbesondere durch Freilegen
und Auffrischen des Fachwerks und pflegt es. Das Innere wurde fast völlig neugestaltet.
Wie überall in den Dörfern, gab es auch in Riesnitz eine
Dorfschule. Der Klassenraum befand sich im Schulhaus, das auch der
Lehrer bewohnte. Der Klassenraum faßte 35 Schüler von der 1. bis 8. Klasse. Unserer Lehrer hieß Kurt Döring.
⇐ Riesnitz - Schule
- Das B r a u c h t u m in Riesnitz
Die traditionellen Bräuche unterscheiden sich
kaum von den in den anderen Kreisdörfern.
Hier sollen nur der Volkstanz und die Beerdigung erwähnt werden.
Der Volkstanz
Riesnitz - Tanzgruppe
Riesnitz - Mädchen in Tracht
Obwohl im winzigen Riesnitz die Welt fast zu Ende war, bereiteten die Einwohner sich ein wenig kulturelles Erleben.
Martha Gerasch, geb. Reschke, 1878 am Ort geboren. lernte nähen. Mit dieser handwerklichen Kunst
schuf sie eine
Riesnitzer Tracht, in welcher
Volkstänze vorgeführt wurden.
Sie bestand aus roten Röcken,
benäht mit schwarzen Samtbändern, weißen Blusen mit Puffärmeln und rotumhäkelten Säumen sowie einem schwarzen Samtmieder.
Dazu trugen die Mädchen und Frauen weiße Strümpfe und schwarze „Riemenschuhe“.
Zu dieser Tracht gab es leider keine
Kopfbedeckung. Von den Mitgliedern der Tanzgruppe wurde das sehr bedauert. Doch Hüte konnte unsere Martha nicht nähen.
Die Beerdigung
Der Toten gedachte man nach einem festen Ritual. Obwohl Riesnitz einen Friedhof hatte, gab es leider keine Trauerhalle.
Der Verstorbene wurde zu Hause eingesargt und bis zur Beisetzung in einem Zimmer aufgebahrt. Die Uhr wurde angehalten,
der Spiegel und die Fenster mit schwarzen Tüchern verhängt. Die Unterhaltungen in der Familie beschränkten sich auf das
Wesentliche und wurden sehr verhalten geführt. Die Totenruhe wurde so von den Hinterbliebenen voll gewährleistet.
Im Haus wurde auch die Trauerfeier vollzogen, Sechs gleichgroße Männer, in schwarzem Anzug und mit einem Zylinder auf dem Kopf,
trugen den Sarg zum Friedhof. Bei Aufnahme des Sarges begann das Läuten der Glocke und endete erst, als die Trauergemeinde
an der Gruft Abschied genommen hatte. Damit alles klappte, wurden Kinder als Signalgeber eingesetzt. Erwähnenswert ist auch,
dass dem Toten am Tage seines Hinscheidens für eine Stunde die Glocke läutete.
- Riesnitz - d ö r f l i c h e s Leben und Infrastruktur
Riesnitz war eine von 95 Gemeinden des Landkreises Crossen/Oder. Mit seinen 56 Haushalten und 199 Einwohnern lag es im Mai 1939
an 74. Stelle und zählte somit zu den 20 kleinsten Dörfern des Kreises. Der Ort liegt 100 m über dem Meeresspiegel. Man hatte
einen herrlichen Weitblick über die dunklen Wipfel der gewaltigen Kiefernwälder. So konnte man z.B. vom Kirschberg in Richtung
Osten weit in den Raum Baudach/Beutnitz, vom Drehnower Weg in Richtung Norden bis weit in das Nord-Sternberger Land blicken.
Das Dorf hatte nur offene, also unbefestigte Verbindungswege nach Trebichow, Groß-Gandern, Bergen, Sandow, Drehnow, über die
Laubaksch zur Reichsstraße Nr.5 und nach Tammendorf.
Im Dorf selbst gab es eine Straße, die eigentlich zweigeteilt war. Die eine Hälfte war gepflastert und die andere unbefestigt.
Diesen Teil der Straße nannten wir den Sommerweg. Auf ihm fuhren hauptsächlich Fuhrwerke, die von Kühen
gezogen wurden, damit sie sich nicht die Klauen wundliefen. Entlang der Straße gab es auch einen Fußweg, der zum Teil mit
Kastanien- und Lindenbäumen begrenzt war, den Einwohnern im Sommer Schatten spendete und zur Blütezeit das Dorf in einen
angenehmen Duft hüllte.
Bemerkenswert war auch, daß entlang der Gutshäuser und des Herrensteiges am Schloßpark bis in den Wiesengraben vor Türkes
Grundstück eine
Abwasserkanalisation verlief, die über Gullies die Abwässer der Gutsarbeiterfamilien
und des Gutes (Schloß und Nebengebäude) aufnahm. Eine Klärgrube gab es noch nicht. Man vertraute mehr auf eine biologische
Reinigung, die auch in den Wiesengräben sehr gut funktionierte. Für die damaligen Verhältnisse war es schon ein bedeutender
Fortschritt und unter den Nachbardörfern eine Seltenheit.
Riesnitz war ein reguläres Straßendorf, links und rechts der Straße reihte sich Grundstück an Grundstück.
Den Mittelpunkt des Dorfes bildete der Dorfplatz, auch Karusselplatz genannt. Er befand sich tatsächlich
in der Mitte des Dorfes und in unmittelbarer Nähe der Gastwirtschaft, der Kirche und des Kaufmannsladens.
Es gab im Dorf bereits eine elektrische Stomversorgung, die in anderen deutschen Landen noch nicht immer üblich war.
Das Leben im Dorf wurde bestimmt durch die Land- und Forstwirtschaft und eine ausgeprägte nebenberufliche Tätigkeit vieler
Familienmitglieder.
Im Mittelpunkt stand, wie konnte es anders sein,
das Gut.
Die technische Ausrüstung des Gutes entsprach der damaligen Entwicklung und den finanziellen Möglichkeiten. So gab es nur einen
eisenbereiften Lanzbulldog, 1 Mähdrescher, 1 Dampfmobile, 1 Dreschkasten, Kartoffelvorratsroder und Getreideableger.
Die Reifen dieser Maschinen waren ausschließlich eisen- und hartgummibereift. Selbst die Acker- und Kutschwagen kannten noch
keine Gummibereifung.
Eine Ausnahme bildete der
luftbereifte Kutschwagen des Herren von Kramsta,
den er bei längeren Besuchen aus dem Schlesischen mitbrachte. Zu den Zugkräften gehörten noch drei bis vier Pferdegespanne,
ein paar Kutschpferde und während des Krieges kamen noch zwei Ochsengespanne dazu. Durchschnittlich waren 6 Familien als Gutsarbeiter tätig.
Riesnitz - Gasthof
Riesnitz - Gasthof
Es gab 10 Bauern, die mit Pferden wirtschafteten. Das waren Georg Herke, Georg Schulz, Gustav Materne, Richard Bouffe,
Herrmann Büttner, Friedrich Klauß, Karl Materne, Hermann Fröhlich, Richard Herke und Wilhelm Rasch.
Neben diesen gab es noch 12 Kuhbauern. Das waren bäuerliche Kleinbetriebe mit einer Betriebsgröße bis 4 ha, die als Zugtiere
Kühe einsetzten und außer Pflug und Egge kaum Technik besaßen. Zu ihnen zählten die Familien Paul Türke, Gustav Zeidler, Otto Budach,
Albert Kopsch, Walter Ast, Paul Riedel, Friedrich Maulbrich, Wilhelm Kamman, Hermann Krüger, Wilhelm Höhne, Gustav Kube und Karl Walter.
Aus weiteren 6 Familien wie Paul Melzer, Paul Gessner, Erich Alisch, Gustav Koritter, Wilhelm Knipp und Fritz Graßmann gingen
oft mehrere Familienangehörigen außerhalb auf Arbeit, bis in den Raum Frankfurt/Oder. Diese Riesnitzer arbeiteten in der
Grube Bach oder im Steinbockwerk bei Ziebingen. Sie kauften auch in Ziebingen ein, denn Riesnitz liegt nur 8 km Luftlinie von Ziebingen entfernt.
In diesem kleinen Dorf war das Leben gut gesichert und organisiert:
Hermann Borchert war Gastwirt |
Karl Baldow Kaufmann |
Paul Riedel Dorffrisör und Nachtwächter |
Karl Pfitzner Stellmacher |
Albert Kopsch Tischlermeister |
Wilhelm Rasch Hausschlachter |
Otto Ast Maschinist |
Hermann Herke Schmied |
Fritz Gierke Müllermeister |
Karl Welkisch war ein Handwerker, der vielseitige Fähigkeiten besaß. |
|
|
Auf den Heimattreffen wurden auch einige
Flurnamen genannt: Es gab das „Tammendorfer Ende“, das „Drehnsche Feld“ und
das „Schwarze Feld“. Am Weg nach Drehnow standen die Apfelbäume der Borcherts, das war der „Schongarten“.
Angebaut wurde Flachs, sehr viel Flachs. Man webte Leinen selbst und bleichte es auf großen Rasenflächen im Garten.
Das Dorf verfügte auch über ein kleines
Feuerwehrhaus mit einer handbetriebenen Spritze und einem Wasserwagen.
Vor Beginn des 2. Weltkrieges wurde in Gemeinschaftsarbeit ein zweiter größerer Feuerlöschteich angelegt.
Einwohnerbuch 1926
Riesnitz - Ortsplan
Die Heimatliteratur für den Kreis Crossen/Oder liefert viele Einzelheiten aus dem Dorfleben in Riesnitz.
Dem Webmaster stand deshalb für Riesnitz neben dem "Einwohnerbuch des Kreises Crossen/Oder -
Ausgabe 1926"
sogar noch ein
Ortsplan mit Legende zur Verfügung.
⇐ Die darin enthaltenen Angaben werden nebenstehend ausführlich wiedergegeben. ⇒
Für interessierte Leser, die im Einwohnerbuch nach ihren Vorfahren suchen,ein kleiner Hinweis:
1. Doppelklick auf das Einwohnerbuch oder Ortsplan von Riesnitz (Rechts) → das Einwohnerbuch oder Ortsplan wird geöffnet.
2. Danach sollte man die Schriftgröße im Einwohnerbuch entsprechend verändern:
(bei gedrückter Strg-Taste ist das Mausrad zu drehen!)
Am 3. Februar 1945 besetzte die Rote Armee Riesnitz, was aber danach folgte, gehört mit zu den schwärzesten Kapiteln der Kriegs-
und Nachkriegsgeschichte unseres Lebensraumes. Hunderttausende wurde rechtlos und Freiwild bis zur endgültigen Vertreibung.
Alle atmeten auf, als am 8. Mai 1945 der Krieg zu Ende war.
Unser kleines 200 Einwohner zählendes Dorf hat eine sehr traurige Bilanz zu verzeichnen.
Wie sich später herausstellte, hatte Riesnitz 34 nachweisbare Opfer zu beklagen. Das waren 17 Prozent
der Einwohner. Darunter 14 vorwiegend an der Ostfront und im südeuropäischen Raum Gefallene. 11 Verschleppte,
darunter drei 15- bis 17-jährige nach Russland, einschließlich Sibirien. Davon kehrten nur zwei zurück.
7 Bewohner beider Geschlechter gingen Anfang Februar freiwillig in den Tod bzw. wurden erschossen. Darunter die Frau des Lehrers
Frau Döring, sie erhängte sich. Die Ehefrau von Karl Matern, Mutter von zwei Kindern, verteidigte sich mit einer Sense,
als sie von Soldaten vergewaltigt werden sollte. Sie wurde erschossen.
Dieser unheilvolle Krieg und seine Folgen werden noch Generationen beschäftigen. Besonders wir, von der Heimat Vertriebene,
werden diese Zeit nie in Vergessenheit geraten lassen. Es gab keine historische noch ethnologische Notwendigkeit bzw.
Rechtfertigung für die Vertreibung.
Es bleibt die Mahnung und Verpflichtung
»Nie wieder Krieg!«
Zum Glück liegt diese Zeit bald schon über 75 Jahre zurück. Wir leben seit dieser Zeit ohne Krieg und wollen darum all unsere
Kräfte einsetzten, damit sich ähnliches nicht wiederholen kann.
Günter Puchert
Die oben genannten Zahlen wurden vom letzten Riesnitzer Ortschronisten Günter Puchert ausfindig gemacht und im
„Crossener Heimatblatt“ veröffentlicht. Übrigens war er in den Jahren 1994 – 2012 sehr aktiv in der sogenannten Heimatarbeit.
Von Ihm erschienen viele Beiträge über das kleine Dorf Riesnitz in unserer Heimatzeitung. Indem der Webmaster sich auszugsweise
von diesen Unterlagen bedienen durfte, war es für ihn kein Problem, diese Webseite für Riesnitz zu gestalten.
Dafür sagen wir: “Vielen Dank Günter Puchert!“
Nachfolgend noch auszugsweise ein Bericht des Riesnitzer Landsmann Günter Puchert, der im Frühjahr 1945 als 15jähriger
nach Sibirien zur Zwangsarbeit verschleppt wurde. Der Transport mit 2000 Deutschen, darunter viele Jugendliche, verließ
am 18. März 1945 Schwiebus.
Vier Riesnitzer wurden so zur Zwangsarbeit verschleppt. Nur zwei kehrten aus Sibirien zurück -
Übrigens gibt es auch Einwohner der Nachbardörfer mit gleichem Schicksal.
Wir, Frieda Herrmann und ich, zwei Riesnitzer, können jedoch nicht vergessen. Die furchtbaren Erinnerungen an die Jahre nach
1945 in sibirischen Haftlagern 6500 km von Deutschland entfernt begleiten uns als Alptraum gewiß bis zum Lebensende.
Eigentlich waren wir vier aus unserem Dorf. Aber nur Frieda (damals 17) und ich (damals gerade 15) überlebten. Mein Stiefvater
Otto Ast (56) und Elisabeth Sandke (17) fanden in Sibirien ihre Gräber. Wir alle wurden, ohne irgendwie der Sowjetunion geschadet
zu haben, vom NKWD verhaftet und zur Zwangsarbeit verschleppt.
Doch ich will nach dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse erzählen. Als um die Monatswende Januar/Februar 1945 die Rote Armee
den Crossener Nordkreis und das Sternberger Land überrollte und besetzte, versuchten wir eine größere Gruppe von Riesnitzern,
uns in den Wäldern zwischen dem Pleiske-See bei Groß Gandern und Trebichow zu verstecken. Trotz des Winterwetters gelang es
uns etwa fünf Wochen lang mehr oder minder gut.
Schließlich wurden wir Anfang März doch gewissermaßen verhaftet. Zunächst sperrte man uns in Tammendorf in einen Keller, dann
transportierte man uns nach kurzem Aufenthalt in Reppen nach Schwiebus und brachte uns dort ins ehemalige Kriegsgefangenenlager.
Hier wurden allen Gefangenen, auch den Frauen und Mädchen, die Haare geschoren. Alles deutete auf einen Abtransport hin,
der am 18. März 1945 stattfand.
Etwa 2000 Deutsche wurden in Güterwagen verladen. Zu jeweils 36 Personen mußten wir uns in einem Waggon mit einfachen
Holzpritschen einrichten. Die Luken waren durch Stacheldraht versperrt. Keiner wußte es genau, aber viele ahnten, daß es nach
Sibirien ging. Noch in der gleichen Nacht setzte sich der Zug mit über 50 Wagen Richtung Osten in Bewegung. Als Verpflegung
bekamen wir, falls Gelegenheit dazu war, je Tag drei Scheiben getrocknetes Kastenbrot und ¼ Liter Wasser.
Über Warschau, Brest-Litowsk, Moskau und Swerdlowsk rollte der Transport. Nach vierwöchiger Fahrt hieß es
am 20. April 1945
im Kusnezkbecken, einem gewaltigen Steinkohle- und Hüttenrevier Sibiriens: „Aussteigen!" Elisabeth Sandke und ich kamen ins
Lager Tirgan. Frieda Herrmann kam nach Leninsk. Mein Stiefvater gelangte in ein mir unbekanntes Lager, aus dem er nicht mehr heimkehrte.
Unser Lager umfaßte mehrere Holzbaracken und war von einem über zwei Meter hohen undurchsichtigen
Bretterzaun umgeben. An jeder Ecke stand ein hoher mit Scheinwerfer versehener Wachtturm, auf dem bewaffnete Posten ihren
Dienst taten. Außerdem umgab das ganze Lager eine Beleuchtungsanlage. Auf dem Zaun verliefen mehrere Reihen Stacheldraht in
kurzen Abständen. Der Anblick flößte Angst und Schrecken ein.
Neben den Baracken waren die sogenannten Latrinen primitiv angelegt. Nur stehend konnten wir dort die Notdurft verrichten.
Zwischen ihnen und dem Lagerzaun lag 30 cm hoch der Kot, den man wahrscheinlich vor unserer Ankunft aus den Latrinen dorthin
befördert hatte. Ein übler Gestank durchzog deshalb das ganze Lager.
Skizze des Lager 10 in Workuta
Durch Zufall begegnete ich nach einigen Tagen
Elisabeth Sandke vor dem Speiseraum. Sie sprach mich an. Ich hätte sie
nicht wiedererkannt. Abgemagert, mit dunkel umrandeten tiefliegenden Augen, geschorenem Kopf und schwermütig stand sie plötzlich
vor mir. Mit keinem Ausdruck der Freude reagierte sie auf unser plötzliches Wiedersehen. Traurig teilte sie mir mit, daß sie
an einer schweren Angina erkrankt sei und kaum noch Aussicht auf Genesung bestehe. Unser Gespräch wurde jäh durch den Aufseher
unterbrochen, dessen Knüppel ich auf meinem Rücken spürte.
Bald gehörte ich mehrere Monate lang zum
„Himmelfahrtskommando“.
So nannte man jene, die jeweils ab Mitternacht die Verstorbenen beerdigen mußten. Schon wenige Tage nach der Begegnung mit
Elisabeth fand ich sie im Kerzenschein unter den Toten. Erschüttert legte ich sie auf eine Trage, um sie dann auf einem Berg
in der Nähe des Lagers zu beerdigen. Noch einmal drückte ich ihr die Hand. Tränen liefen mir dabei über die Wangen.
Die Krankheitsfälle nahmen im Lager rasch zu. Typhus, Ruhr und andere Krankheiten breiteten sich aus. Sie wurden auch von Läusen
und Wanzen übertragen. Als ich einmal die Krankenbaracke betrat, bot sich mir ein Anblick des Grauens. Die Kranken hockten,
bis auf die Knochen abgemagert, auf ihren Bretterpritschen, meist nackt oder nur mit einem kurzen Leinenhemd bekleidet.
Sie starrten mich mit großen Augen fast regungslos an. Durch die Ritzen der Pritschen lief eine schleimige, blutige Flüssigkeit
auf den Fußboden. Gestank schlug mir entgegen, ich erschrak und lief eiligst weg. Nach knapp sechs Monaten war die Zahl der
Gefangenen durch die vielen Todesfälle auf die Hälfte gesunken. Ich erlebte mit, wie wir Bekannte aus Radenickel. Baudach/Mark
und anderen Ortschaften meiner engeren Heimat begruben.
Unter härtesten Bedingungen mußten wir die verschiedensten schweren Arbeiten verrichten. Stets
galt es, eine Norm zu erfüllen. Andernfalls wurde die schmale Verpflegung gekürzt. Es gab kaum einen Sonntag, an dem nicht
zusätzlich in einem Steinbruch oder für ein Staatsgut geschuftet werden mußte. Zu den Arbeitsstellen, die bis 40 km vom Lager
entfernt lagen, marschierten wir zu Fuß.
Als überaus hart erlebten wir die sibirischen Winter. Tagelang tobten bei Temperaturen von 30 bis 40 Grad minus gewaltige
Schneestürme, die jede Außenarbeit unmöglich machten.
Im Februar 1947 erfror ich mir in einem Sägewerk mehrere Fingerspitzen. Deshalb bestrafte mich der NKWD vor allen Lagerinsassen
als Saboteur zu drei Monaten Haft im Bunker (Arrestgebäude). Glücklich und mit viel Lebenswillen überstand ich jedoch alle
Schikanen und Strapazen. Einer
jungen russischen Ärztin verdankte ich es, dass ich
Weihnachten 1947
nach Deutschland zurückkehren durfte und meine Mutter und Schwester in die Arme schließen konnte.