Merzwiese liegt ca. 18 km westlich von Crossen.
Von Crossen kommend, fährt man auf der ehemaligen Fernstraße Nr.97 - die Gubener Chaussee - in Richtung Guben.
nach 14½ km zeigt ein Schild an: nach Merzwiese (Wężyska) rechts abbiegen.Nach weiteren 3½ km wird Merzwiese erreicht.
Merzwiese hatte bei der letzten Volkszählung im Jahre 1939
996 Einwohner und gehörte zum Amtsbezirk Braschen, zu dem auch Brankow und Friedrichswalde gehörten..
Die deutschen Kolonisten wählten bei der Landnahme im 13. Jahrhundert für Merzwiese einen günstigen Platz zwischen zwei Bächen
(Krebsfließ im Westen und Mühlenfließ im Osten), die von den sogenannten Kaniger Höhen mit dem markanten Kempfenberg nach
Norden zum Strieming und damit zur Oder fließen.
Das Dorf liegt also weit genug vom Strom weg, so daß es die Hochwasser nicht erreichen können, und doch wieder so nahe an
dem großen Gewässer, daß die Bauern genügend Anteil am fruchtbaren Acker-, Wiesen- und Weideland haben.
Im Westen und im Süden reicht der Wald direkt und im Osten fast an das Dorf heran. Im Norden grenzen die Wiesen an die Hausgrundstücke.
Wer sich das Meßtischblatt anschaut, erkennt auf den ersten Blick den alten
Bauerndorfkern. Die Siedler legten einst
ihre Höfe beiderseits eines in Ost-West-Richtung verlaufenden baumbestandenen Angers an. Auf die Mitte dieser breiten zweibahnigen
Hauptstraße stellten sie die Kirche. Das war lange Zeit ein schlichtes hölzernes Gotteshaus.
Der zweitälteste Ortsteil ist gewiß das Mühlen-Ende im Osten. Denn eine Mühle, von der
Wasserkraft des Fließes getrieben, wurde ja von den Bauern gebraucht.
Gewiß viel später sind dann die beiden anderen äußeren Ortsteile, das
Sand-Ende im
Westen sowie der sogenannte
Hammer im Süden an der Straße nach Schegeln hinzugekommen. Hier bauten also vor allem
Gewerbetreibende und Arbeiter, schließlich auch Eisenbahner ihre Häuser.
Über die Vergangenheit dieser Gemeinde gibt es keinerlei schriftliche Quellen. Vermutlich gründeten im 13. Jahrhundert
deutsche Siedler die Ortschaft
"Martinswiese" und statteten sie mit einer Gemarkung von rund 28 Hufen aus.
Eine Bobersberger Urkunde vom
3. Dez.1459 erwähnt Renten aus
"Mertinsweze", die Herzog Heinrich
von Schlesien dem Otto von Landsberg verschrieb.
Merzwiese hatte nie eine Gutsherrschaft oder einen kirchlichen Oberherrn (wie die Nachbarorte
Neuendorf und Münchsdorf) erlebt.
Die 24 bis 28 Bauern blieben vielmehr bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft im 19.
Jahrhundert stets dem Amt Crossen und damit direkt dem Landesfürsten unterstellt. Das hat die wirtschaftliche Initiative
in der Gemeinde gewiß gefördert.
Wie auch bei den anderen Orten verfügen wir für Merzwiese erst mit den Unterlagen der Klassifikation der Jahre 1718/19 über
weitergehende Informationen.
In der Klassifikation 1718/19 wird Merzwiese wie folgt erwähnt:
Das Königliche Amt Krossen war der Besitzer von Merzwiese.
Es gab
22 Bauern: (2 Bauern mit 2 Hufen und 20 Bauern mit je 1 Hufe)
Dazu kamen
7 Gärtner und
5 Büdner.
Im Ort waren noch
7 Hausleute und
6 Ausgedinger.
Auf dem Vorwerk Schwirtzig/Schwirze lebte nur ein Schäfer.
Je 1 Hufe bewirtschaftete die Amtsmühle und der Schmied, ½ Hufe der Bauernschäfer.
Der Acker war rein, doch von verschiedener Beschaffenheit, der niedrig gelegene sauer.
Weide und Viehzucht waren schlecht.
Der Viehbestand auf einer Bauernhufe betrug 2 Pferde, 2 Ochsen, 2 Rinder, 12 Schafe, 3 Schweine und 3 Gänse.
Obwohl das Brennholz vom eigenen Feld geholt wurde, musste ein Taler Holzgeld an das Königliche Amt gezahlt werden. Es gab Bienenstöcke.
Der Krüger verschenkte 200 T. Krossener Bier im Jahr.
Der Küster hatte einen Garten für eine ½ Scheffel Gerste, 3 Metzen Lein, 3 Metze Hanf und eine Wiese für 1 Fuder Heu.
Im Ort wurden Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Erbsen, Buchweizen, Hirse, Leinen und Hanf angebaut. Der Heugewinn betrug 155 Fuder.
Im
Bratring 1806 steht geschrieben:
•
Merzwiese war im Jahre 1806 ein Dorf, das dem Domänenamt Crossen unterstand..
Es hatte 22 Bauern, 7 Kossäten, 14 Büdner und 23 Einlieger. 1 Schmiede und 1 Wassermühle.
Merzwiese hatte 1806: 58 Feuerstellen u. 372 Einwohner.
In der “Topografischen Übersicht des Reg.Bez. Frankfurt/Oder” aus dem Jahre
1844 erscheint:
- Merzwiese war ein Dorf mit 1 Wassermühle, zum Rent-Amt Crossen gehörend.
es hatte 78 Wohngebäude und 569 Einwohner
Für das Jahr 1852 werden genannt:
• Merzwiese Dorf zum Rent-Amte Crossen - mit 684 Einwohnern.
Im
Riehl und Scheu "Berlin und die Mark Brandenburg …" von
1861 wird geschrieben:
•
Merzwiese Dorf - dem Rent-Amt Crossen gehörend - mit 87 Häusern und 697 Einwohnern.
- Merzwiese - K i r c h e u n d S c h u l e
Merzwiese - Kirche
Merzwiese - der Altar
Einst stand hier im Dorfkern lange Zeit ein schlichtes
hölzernes Gotteshaus. Erst
1878 wurde
die uns bekannte Backsteinkirche mit ihrem an die 50 m hohen markanten Turm gebaut. Ihr Platz mitten im Dorf war der frühere Friedhof.
Die Backstein-Kirche von Merzwiese wurde im gleichen Stil wie die Kirchen von Kuschern an der Neiße und von Dobersaul gebaut.
Vor dem 1. Weltkrieg befanden sich drei Glocken in der Kirche, sämtlich von Fr. Gruhl in Kleinwelka bei Bautzen 1861 gegossen.
Der Kirchengemeinde, zu der auch die Einwohner von Braschen und Friedrichswalde gehörten, stand schon seit 1916 Pastor Wagner vor.
Dieser kassierte monatlich einmal das Stromgeld und bemühte sich dazu in die Gastwirtschaft Kutschera.
Merzwiese - Schule
Selbstverständlich hatte Merzwiese seit langem auch eine
Schule. Sie war aber um das Jahr 1900 wegen dauernder starker Überfüllung
überfordert. Zwei Lehrer waren für 192 Schüler zu wenig, so dass die königliche Regierung am 21. Oktober 1909 die Anstellung
einer weiteren Lehrkraft und die Erweiterung der vorhandenen Unterrichtsräume anordnete.
So wurde am 17. März 1911 der Umbau des alten Küster- und Schulhauses und der
Neubau eines zweiten Schulhauses, sowie die Errichtung einer dritten Lehrstelle beschlossen. Man arbeitete damals schnell.
Bereits am 15. Oktober 1912 fand die Übergabe und die feierliche Einweihung statt. Das alte Schulhaus
enthielt nach dem Umbau die angemessen vergrößerte Wohnung des ersten Lehrers und Küsters und die erste Klasse.
Im
zweiten Schulhaus befinden sich unten und oben die Wohnungen des zweiten und dritten Lehrers,
sowie die Unterrichtsräume für die zweite und dritte Klasse im unteren Stock auf der nördlichen Hälfte des Hauses.
Alle Klassen sind mit neuen Schulbänken und Kathetern, Schränken und Schultafeln ausgestattet worden.
Am 15. Oktober 1912 wurde auch die neu errichtete dritte Lehrerstelle der nunmehr vierklassigen Volksschule besetzt.
Zuletzt vermittelten hier Hauptlehrer Albrecht sowie die Lehrer Petry und Busch den Kindern in Merzwiese das Wissen fürs Leben.
- V e r e i n s l e b e n und B r a u c h t u m in Merzwiese
Der Sportverein
An Vereinen gab es in Merzwiese nicht allzu viele. Da war der
Gesangverein mit seinem Dirigenten,
Lehrer Busch und der Sportverein unter seinem rührigen Vorsitzenden Willi Töffling nennenswert. Vielleicht kann man noch die
»freiwillige Feuerwehr« als Verein mit hinzuzählen; aber dann war es auch schon vorbei mit den Vereinen.
Im
Sportverein - welcher sich ja damals im tausendjährigen Reich »Verein für Leibesübung« nannte -
wurde neben der Leichtathletik noch das Geräteturnen und dann, mehr für das weibliche Geschlecht, die Gymnastik gepflegt.
Die Weihnachtsveranstaltung – organisiert durch den Sportverein - war immer ein Anziehungspunkt der
Merzwieser und ein Erfolg für den Sportverein. Da wurde dann im Saal an allen Geräten geturnt, an Barren, Pferd, Reck und
Ringen, und es waren für die damaligen Verhältnisse recht gute Tumer dabei.
Die ganze Vorstellung begann mit der kleinen Musikkapelle, Walter Schwabe (Klavier), Günter Müller (Mandoline), Kurt Gärtner
(Ziehharmonika) - damals noch diatonisch -, Walter Busch und Heinz Schulz spielten auf der Geige mit dem Lied »Turner auf
zum Streite«. Dieses Lied wurde dann vom in den Saal einmarschierenden Spielmannszug mit einem Marsch abgelöst.
Es folgten dann Schauturnen, Gymnastik und Pyramidenbauen, dann Pause und anschließend die Theateraufführungen.
Für ein Dorf wie Merzwiese war das schon immer ein besonderes Ereignis.
Die Fastnacht
Da gab es in Merzwiese zwei Fastnachtsgesellschaften; die eine feierte in der Gastwirtschaft Schwabe, die andere in der Gastwirtschaft
Kutschera (früher Klahn). Im Januar ging es immer los mit der Bildung eines Festausschusses. Dieser Ausschuss hatte das genaue
Programm zu entwickeln, welches dann fast eine Woche dauerte. Außerdem hatte der Ausschuss noch die ehrenvolle Aufgabe , die
einzelnen Paare für die Fastnacht zusammenzustellen. Da kam es dann auch manchmal vor, dass einer nicht das Mädel zugeteilt bekam,
welches er gerne mochte; aber es ist dann doch immer alles gut gelaufen. Jede Fastnachtsgesellschaft bestand aus acht Paaren.
Etwa eine Woche vor Beginn der eigentlichen Fastnacht hatte der Jüngling seinen Hut mit in die »Spinnstube« zu nehmen und
seinem Mädel zu übergeben, damit diese einen großen künstlichen Blumenstrauß an den Hut befestigen konnte.
Merzwiese - Gasthof Kutschera
Am Sonntag ging es dann richtig los. Die Mädchen zogen rote Röcke mit schwarzen Samtbändern und
Unterröcke mit breiten Spitzen an, Die Jungen trugen schwarze Kniehosen, dreiviertellang, weiße Hemden und breite Ledergürtel.
Voran die Dorfkapelle – es begann mit einem kleinen Umzug durch das Dorf zu einem bestimmten Haus, in welchem sich die Mädels
versammelt hatten, die dann ihrem Jüngling den Hut mit dem daran befestigten Blumenstrauß überreichten.
Die Paare marschierten danach geschlossen mit Musik durch das Dorf zur jeweiligen Gastwirtschaft, wo sie sich dann mit der
übrigen Dorfjugend und der Dorfbevölkerung dem Tanz hingaben.
Eröffnet wurde die Tanzveranstaltung mit dem Tanz der Fastnachtspaare zu den Klängen der zusammengewürfelten Kapelle unter
Leitung von dem Crossener Musiker Pangse. Der Schlagzeuger war der Merzwieser Bernhard Pernack als einziger einheimischer Musiker.
Man tanzte so gut man konnte, ohne Besuch einer Tanzschule und die Musik ging sofort ins Blut.
Zum Abendessen war dann jeder Fastnachtsjüngling mit seiner Dame von deren Eltern in ihrer Wohnung
eingeladen. Wie das dann auf solch einem Dorf oft geschah: manche Leute sahen in diesem Fastnachtspaar schon das spätere Brautpaar.
Selbstverständlich hatte jeder Fastnachtsjüngling in der Fastnachtswoche sein Mädel abends sicher nach Hause zu geleiten.
Am nächsten Tag,
am Montag, fand dann der sogenannte
»Tanz um die Tonne« statt, was nun
folgendermaßen vor sich ging: Mitten im Saal war ein Weinfass aufgebockt, welches jedoch, glaube ich heute, leer war.
Von den Fastnachtspaaren mussten nun die Jungens mit den anwesenden Frauen, und die Mädels mit den anwesenden Männern tanzen,
immer um die Tonne herum. Die von den Jungens und Mädels aufgeforderten Tänzer und Tänzerinnen hatten dann bei jedem Tanz einen
Obolus an der »Tonne« zu entrichten, wofür sie dann in der Regel ein Glas Schnaps bzw. Likör bekamen. So ging das dann den ganzen
Abend zu, wodurch Geld in die Kasse kam, denn es musste ja auch die Musik bezahlt werden, welche immer fleißig spielte:
»Heute, heute, heut ist Fastnacht, heut ist Fastnacht,
morgen geht der Zamper rum«.
Merzwiese - Gasthof Schwabe
Nun ist mit dem Wort »Zampern« schon das Stichwort für den nächsten Tag, den Dienstag gegeben.
An diesem Tag wurde nämlich gezampert, aber zünftig. Das ging am frühen Vormittag schon los, indem sich die Jungens der Gruppe
zusammenfanden, mit mehreren Mistgabeln - mit sauberen Zinken, versteht sich - und Körben bewaffnet, und von Haus zu Haus zogen,
kein Haus wurde ausgelassen. Auch fehlte zu solcher Gruppe eine kleine Schrammelbesetzung nicht, welche dann vor jedem Haus
ein Ständchen spielte. Als Belohnung gaben die Hausbewohner Geld, Speck oder Eier. Die Speckstücke wurden auf die Zinken der
Mistgabel aufgespießt. Wenn diese nun voll Speck war, wanderte der übrige Speck in die mit herumgetragenen Körbe. Am späten
Nachmittag war das ganze Dorf mit der Zamperei abgeklappert. Die Zamperei war somit zu Ende, aber noch nicht zu Ende war der Tagesablauf.
Was wurde nun mit dem Speck und mit den Eiern gemacht? Da wir zur damaligen Zeit im »tausendjährigen« Reich lebten, musste ein
gewisser Prozentsatz der erzamperten Materialien an das Winterhilfswerk abgegeben werden. Es blieb für uns Fastnachter aber
noch genug übrig. Nach der Zamperei versammelten wir uns etwa gegen 18 Uhr in der Gastwirtschaft zusammen mit unseren Mädchen,
übrigens waren da auch richtige Schönheiten darunter. Während die Jungens von dem erzamperten Geld uns schon mal ein Bierchen
- es kostete damals ja nur 15 Pfennig - genehmigten, wirkten die Mädels in der Gastwirtschafts-Küche und brieten für die ganze
Gesellschaft Eier mit Speck.
Na, das war vielleicht eine Futterei, die Augen waren oft größer als der Mund, doch geschmeckt hat es allen prächtig.
Nun waren noch jede Menge Speck und Eier übrig, welche dann christlich aufgeteilt wurden.
Aber heute weiß keiner mehr genau, ob und was sich am
Mittwoch der Fastnachtswoche abgespielt hatte.
Der
Donnerstag bildete dann jedenfalls mit der
Weiberfastnacht, auch
Schwartenball genannt, den Abschluss der Fastnachtswoche, wo der Tanzboden der älteren Generation gehörte.
Aufstellung der P f i n g s t m a i e n
Nach einer Pause von etwa drei Monaten gab es noch eine kleine Fortsetzung der Fastnacht; nämlich zu Pfingsten:
Am Pfingst-Sonnabend spannte z.B. Paul Tietz seine Pferde vor einen Leiterwagen, und die Jungens
fuhren damit Richtung Pollenzig bis an die Oder in das Birkenwäldchen in der Nähe der Fähre. Nachdem mit dem Pollenziger Bauer
der Preis eines vollen Leiterwagens mit Birken ausgehandelt wurde, ging man daran, die jungen Birken zu fällen und den
Leiterwagen damit voll zu laden. Dabei wurde ab und zu ein kräftiger Schluck aus der Schnapsflasche genommen, so dass sie
später bei der Ankunft in Merzwiese nicht mehr ganz nüchtern waren.
Die »Pfingstmaien« wurden an den Hoftüren der Fastnachtsmädels aufgestellt, so dass sie am Sonntag im schönsten Grün die
Hoftüren schmückten. Abends ging man dann wieder zum Tanzen in die Gaststätten Schwabe und Kutschera.
Im Sommer badete die Jugend im Sandsee bei Brankow, dennn von der
Sommerhitze wollte sich auch die Merzwieser Jugend durch ein Bad abkühlen und erfrischen. Doch wo war das möglich, wo es in
Merzwiese keinen Wasserlauf und keinen See gab. Bis zur Oder waren es etwa nur 4 km, aber kaum ein Merzwieser nahm den Weg
bis zur Oder zum Baden.
Sie hatten damals dafür ein anderes Ziel, nämlich den Sandsee bei Brankow. Mit Fahrrädern fuhren sie
dann los, meistens eine Gruppe von 5 bis 10 Jugendlichen, durch Schegeln hindurch bis zum landschaftlich schön gelegenen Sandsee.
Es gab da sogar einen richtigen schönen Sandbadestrand, und vor allen Dingen hatte der See sauberes, klares Wasser,
in welchem man sich tummeln konnte. Allerdings konnte der größte Teil der Merzwieser Jugendlichen nicht schwimmen.
Die S p i n n s t u b e
Der folgende Beitrag – vom Ortschronisten Heinz Schulz -
wurde auszugsweise aus den „Heimatgrüßen“ übernommen.
Damals gab es noch kein Fernsehen und kaum ein Radio. Wie in vielen Gemeinden, so war es auch in Merzwiese, trafen sich zur
Winterszeit die jungen Mädchen zum Spinnen und auch zum Stricken.
Ich war gerade erst 15 Jahre geworden und hatte noch Hemmungen, zur Spinnstube zu gehen. Meine Freunde redeten mir aber gut zu,
und so ging ich mit den Jungens mit zu Vogels Luise.
Es war wohl die Küche des Hauses, in der wir acht bis zehn Mädchen im Alter von 14 bis 16 Jahren vorfanden. Seit alten Zeiten
war es üblich, daß sich die Mädchen zweier Geburtsjahrgänge im Winter abends gegen 18 Uhr versammelten. Sie wechselten dabei
wöchentlich das Haus, das natürlich stets den Eltern einer der „jungen Damen“ gehörte. Saßen sie bei meinem Hinzukommen
bei Vogels Luise, so wechselten sie in der Folgezeit der Reihe nach zu den anderen Mädchen.
Merzwiese - Hauptstraße mit Schwabes Gasthof
Früher hatten die Mädchen sicherlich mit Spinnrädern Flachs zu Garn gesponnen. Mitte der 1930er Jahre machten die Jugendlichen
der beiden beteiligten Jahrgänge - es waren 13, wenn alle erschienen - lediglich Handarbeiten. Diese wurden aber gegen 20 Uhr
zur Seite gelegt. Denn nun kamen die etwa gleichaltrigen Jungen hinzu.
Es begann der gesellige Teil.
Als ich das erste Mal „hineinschneite“, musterten zunächst alle Mädchen mich, den Neuen. Dem unterhaltenden Teil habe ich
erstmal schüchtern und zurückhaltend beigewohnt. Doch das sollte sich bald ändern. Es wurden gemeinsam Lieder gesungen und
alle möglichen Spiele gespielt. Dabei waren oft Pfänder abzugeben.
Das größte Vergnügen bereitete stets die Pfandverteilung.
Da waren denn schon einmal ein paar Küsse zu geben, oder es mußten ein Mädchen und ein Junge nach draußen.
Was sich dann vor der Tür abspielte, wissen nur die Paare, die sich diesem Zeremoniell unterwarfen. Jedenfalls hat es immer
viel Spaß gemacht. Um 22 Uhr löste sich jeweils die Gesellschaft auf. Einige „junge Männer“ hatten nach einiger Zeit ihre
„feste“ Freundin, die sie allabendlich nach Hause brachten.
Wenn ich heute an die Spinnstubenabende in Merzwiese zurückdenke, dann bin ich überzeugt, daß sie für das Gemeinschaftsleben
im Dorf recht wichtig waren. Die Mädchen und Jungen wurden so miteinander gut bekannt und wuchsen in die Dorfgemeinschaft hinein.
Vielleicht wurden dabei sogar engere menschliche Kontakte geknüpft als heute in Discos und Jugendheimen. Doch das kann man
als älterer Mensch schwerlich richtig beurteilen. Auf jeden Fall vergingen durch die Spinnstubenbesuche die Winterabende
schnell und angenehm.
- Torfgewinnung in Merzwiese
Die Wiesen nördlich des Dorfes Merzwiese waren in alten Karten als Wald angegeben. Dort befanden sich früher Sümpfe. Das Dorf
liegt mitten im
Warschau-Berliner Urstromtal, in dessen tieferer Rinne – nördlich von Merzwiese
verlaufend - sich später tote Flußarme bildeten, die dann völlig abgeschnitten wurden, versumpften und verlandeten.
In diesem Sumpf bildete sich im Laufe der Jahrhunderte die
zwei Meter und darüber starke
Torfschicht.
Das Ergebnis eines solchen Prozesses ist das große Wiesengebiet zwischen Münchsdorf im Osten und Lindenhain im Westen.
Im Süden wird es von Merzwiese und Friedrichswalde, im Norden von Neuendorf und dem Lauf des Strieming begrenzt. Es ist etwa
2000 ha groß und wie folgt unterteilt: lm Osten liegt die „Schacht", die bis auf Restparzellen
ausgetorft wurde und ihren Namen vom Austorfen, Ausschachten her trug. Westlích schließen sich die „Jorn”
und die „Kaine“ an, die zur Oberförsterei Braschen gehörten und nicht ausgetorft wurden.
Merzwiese - Gesamtansicht
Die deutschen Siedler und die Crossener Mönche, die hier im Mittelalter erhebliche Rechte hatten (Sorge war mit Sicherheit
Klostergut), gewannen zunächst wohl nur Torf für den eigenen Bedarf. Gewerbsmäßig haben zuerst die Merzwieser Torf gestochen,
nach Guben gefahren und verkauft. Ähnlich machten es die Braschener und die Brankower. Sie belieferten jedoch in der Hauptsache
Crossen und Sommerfeld.
1668 ließ der Große Kurfürst den Friedrich-Wilhelm-Kanal und damit den Wasserweg von der Oder nach Berlin eröffnen.
Berlin wuchs und brauchte Feuerung. Man suchte Brennmaterial, das leicht anzutransportieren war, und stieß auf die großen
Torfvorkommen im Oderland. So kam es zu einem guten Torfgeschäft für die Eigentümer jener Wiesen, auf denen sich das Torfstechen
lohnte. Die „Schacht“ war die günstigste Fläche. Sie gab viele Jahre den Menschen Arbeit und Verdienst, denn das Torfstechen
forderte viele fleißige Hände.
Die Zeit der Hauptausbeute lag zwischen 1850 und 1870. Die Torfgewinnung
im großen Stile brachte reiche Verdienstmöglichkeiten. Arbeiter siedelten sich an, und in kurzer Zeit erhob sich ein Gehöft
nach dem anderen. Die Torfarbeiter kamen aus Schlesien und aus der Landsberger Gegend.
Da der Merzwieser Torf von guter Qualität war, kauften Händler aus Frankfurt/Oder auch ganze Torflager. Auch die umliegenden
Güter verwerteten den Torf; der größte Teil jedoch wurde in Kähnen verladen und auf der Oder nach Frankfurt/Oder und Berlin gebracht.
Die ausgetorften Flächen wurden in den letzten hundert Jahren sofort wieder aufgefüllt und eingesät, so dass keine Ertragsminderung
eintrat. Nur der schmale Stechgraben blieb von Jahr zu Jahr offen.
Einzelne Besitzer haben
bis zur Vertreibung in den Feldmarken
Neuendorf, Münchsdorf und Merzwiese kleinere Torfstiche gehabt, so auf der Hammerwiese, in Maiers Schacht und entlang des Jornweges.
Die kleinen schwarzen Puppen und die großen dunklen Klafter waren weithin im Tal zu sehen.
- I n f r a s t r u k t u r
Merzwiese - Bahnhof
Die wirtschaftliche Struktur Merzwieses war vom Zeitalter des Eisenbahnbaues ab
dreischichtig.
Da wirkten von altersher die
Bauern und das ihnen dienende
Gewerbe.
Letzteres entwickelte sich mit dem Wachsen des Dorfes und bekam mit dem
Sägewerk Karrei, das zeitweise 40 Beschäftigte
hatte, fast einen industriellen Akzent. Die dritte Schicht bildeten schließlich die etwa
35 Eisenbahnerfamilien.
Die gut 1000 Einwohner versorgten die fünf Geschäfte von Schneider (heute würde man
„Klein-Karstadt“ dazu sagen), Garke, Töffling, Bügler/Preuß und Burdack. Davon waren Schneider, Garke und Bügler auch Bäckereien.
Die Besitzer der drei Fleischereien hießen Schulz, Lehmann und Töffling. Dann gab es noch einen
„fliegenden Händler“, der mit dem Motorrad und einem darauf geschnallten Koffer voller Textilien auch die Nachbardörfer besuchte.
Der Volksmund nannte ihn „Windelkrüger“.
Das Handwerks-Angebot vervollständigten die
Schmieden Kühn und Stephan, der
Sattler
Groß, die
Schneider Gens und Karge, die
Tischler Schulz und Busch,
der
Stellmacher Rackwitz, der
Schlosser Willi Ahlebrandt, der alte
Schuhmacher Rademacher, zwei weitere Schuster waren Beyer und John, sowie die
Friseure
Schmidt und Laqua.
Bei Friseur Schmidt zahlte man für einen zeitgemäßen Haarschnitt 60 Pfennige. Dagegen kostete der Einheitshaarschnitt bei Laqua
nur 30 Pfennige. Dieser Barbier reparierte nebenbei auch Fahrräder.
Merzwiese - Laden von Gustav Schneider
Merzwiese - Molkerei
Als weitere wichtige Gewerbebetriebe müssen die Mühle und die
Molkerei erwähnt werden. Weiter gab es die Gärtnerei Tilgner, die direkt
neben dem Friedhof lag.
Dann gab es noch den Zementwarenhersteller Hugo Wolle auf dem Hammer,
der Zementpfosten, Grabeinfassungen u.ä. produzierte.
Regiert wurde Merzwiese in den 1930er Jahren von Bürgermeister Gohlisch, später von Willi Töffling. Amtsvorsteher war
Otto Preuß. Als Standesbeamter fungierte Kaufmann Burdack.
Heutzutage ist der Bahnhof nicht mehr zu erkennen. Das Sägewerk Karrei unmittelbar nördlich des Bahnhofs, das etwa 25 Merzwieser
beschäftigte und einen Gleisanschluß hatte, ist weg. Im ostwärtigen Ortsteil fehlt die Molkerei.
- Merzwiese - Ortsplan mit Häuserverzeichnis
Einwohnerbuch 1926
Merzwiese - Ortsplan
Die Heimatliteratur für den Kreis Crossen/Oder liefert viele Einzelheiten aus dem Dorfleben in Merzwiese.
Dem Webmaster stand deshalb für Merzwiese neben dem "Einwohnerbuch des Kreises Crossen/Oder -
Ausgabe 1926"
sogar noch ein
Ortsplan mit Legende zur Verfügung.
⇐ Die darin enthaltenen Angaben werden nebenstehend ausführlich wiedergegeben. ⇒
Für interessierte Leser, die im Einwohnerbuch nach ihren Vorfahren suchen,ein kleiner Hinweis:
1. Doppelklick auf das Einwohnerbuch oder Ortsplan von Merzwiese (Rechts) → das Einwohnerbuch oder Ortsplan wird geöffnet.
2. Danach sollte man die Schriftgröße im Einwohnerbuch entsprechend verändern:
(bei gedrückter Strg-Taste ist das Mausrad zu drehen!)
- Der Merzwieser Ortschronist Heinz Schulz 1920 - 1992
Nicht nur die Merzwieser kannten unseren Landsmann Heinz Schulz.
Wir verdanken ihm viele interessante Beiträge, die früher schon in den Crossener Heimatgrüßen erschienen. Durch die auszugsweise
Veröffentlichung seiner Ausarbeitung "Meine Merzwieser Jahre" fand er unter den Kreis-Crossenern großen Zuspruch.
Heinz Schulz
* 07.04.1920 in Güntersberg,
† 03.12.1992 in Dortmund.
Von seinem Geburtsort Güntersberg zog Heinz Schulz mit seinen Eltern nach Crossen, wo er von 1926 bis 1930 die Knabenvolksschule
besuchte. Dann ging er zunächst wieder nach Güntersberg und 1934 nach Merzwiese.
Es war im Frühjahr 1934, als Heinz Schulz nach Merzwiese kam; sein Vater hatte dort ein Grundstück
erworben und seinen Tischlereibetrieb errichtet. Heinz Schulz kannte früher Merzwiese nicht und war dann aber doch beeindruckt
von dem damals über 1000 Einwohner zählenden Dorf. Er kam als 14-Jähriger nach Merzwiese und erlebte seine Jugendzeit dort.
Heinz Schulz erlernte im väterlichen Betrieb das Tischlerhandwerk.
Ab 1938 war Heinz Schulz Soldat, insbesondere bei den Artillerieregimentern 3 und 168. Sein Vater Wilhelm Schulz mußte gegen Ende
des 2. Weltkrieges auch Soldat werden und fiel 1945.
Sein Sohn Heinz hatte bereits 1943 eine Dortmunderin geheiratet. So gelangte er nach dem Verlust der Heimat in die westfälische
Großstadt. Zunächst arbeitete er dort als Handelsvertreter. 1962 trat er als kaufmännischer Angestellter in ein Bochumer
Automobilwerk ein, wo er als Personalbearbeiier, sein Brot verdiente.
Landsmann Schulz hat drei inzwischen erwachsene Söhne. Zwei davon sind Industriekaufleute, einer ist Fernmeldetechniker.
Heinz Schulz war nach dem Tode von Karl Wein - von 1969 an - bis zu seinem Tode Heimatkreisbetreuer
vom Kreis Crosseri/Oder. Er zählte zu den positiv wirkenden Persönlichkeiten unseres Heimatkreises. In dieser Funktion
blieb er der märkischen Heide gedanklich verbunden.
Dem Webmaster standen für diese Webseite seine gesammelten und teilweise veröffentlichten Unterlagen zu Verfügung.
Eine repräsentative Auswahl davon konnte ich somit in die vorliegende Webseite einarbeiten.
So konnte einiges von dem, was für ihn und seine Generation einmal Heimat war, an die nachgekommenen Generationen weitergegeben
werden.
Vielen Dank nachträglich gilt
Heinz Schulz